Gender revisited. Verhandlungen von Geschlecht im Zeitalter des Posthumanismus
Grazer Kooperationspartnerin: Assoz. Prof.in Dr.in Hildegard Kernmayer, Institut für Germanistik
Junior Fellow: Marietta Schmutz, MA
Incoming Senior Fellow: Assoz. Prof.in Dr.in Anna Babka, Institut für Germanistik, Universität Wien
Incoming Junior Fellows: Mag.a phil. Jasmin Doubek (Universität Wien), Julia Lingl, MA (Universität Wien)
Zeitraum: Oktober 2019 bis Dezember 2020
Symposium: 10.-12.12.2020, Details unter www.posthuman-genderstudies.at/conference
Inhalt:
Die feministische Theorietradition der zweiten Frauenbewegung der 60er- und 70er-Jahre mit ihrer tendenziell binär-hierarchischen Konzeption von Geschlecht problematisierte zum einen den konkreten Ausschluss von Frauen aus der Sphäre der Öffentlichkeit, zum anderen machte sie den symbolischen Ausschluss einer ‚weiblichen Alterität‘ in der patriarchalen Gesellschaftsordnung zum Thema. Diese Konzeption spiegelt(e) sich mitunter im politischen Bestreben, weibliche Agentinnen in Kunst und Gesellschaft als Repräsentantinnen von (Handlungs-)Macht aufzufinden bzw. diese mit (Handlungs-)Macht auszustatten. An der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert wurde die binäre Konzeption von Geschlecht von mehreren kultur- und gendertheoretischen Positionen verabschiedet: Der feministische Dekonstruktivismus und die aus ihm resultierenden Postcolonial Studies, die jegliche Subjektpositionen aufzulösen suchen, begreifen selbst das biologische Geschlecht als spracherzeugte Konstruktion, die in performativen Akten ständig neu hervorgebracht wird (Butler). Für den Neomaterialismus hingegen erweisen sich solche Diskurstheorien nunmehr als unzureichend, um das Zusammenspiel sinnhaft-symbolischer Prozesse und materieller Ordnungen zu erklären. Angesichts von global-wirtschaftlichen Prozessen, technologischer Innovation und digitaler Vernetzung im Informations- und Kommunikationszeitalter wird das Konzept eines posthumanen Subjekts (Braidotti) vorgeschlagen, das mit anderen Subjekten (menschlichen und nichtmenschlichen Akteur*innen) – Menschen, Tieren, Dingen – in enthierarchisierten Netzwerken intraagiert (Haraway, Latour, Barad). Posthumanistische Theorien stellen im Allgemeinen nicht nur die Stabilität des individuierten, liberalen Ichs in Frage, sondern lenken die Aufmerksamkeit auch auf Materialisierungsweisen des späten Kapitalismus wie etwa den Klimawandel oder die Digitalisierung. Im Projekt wird die Frage gestellt, wie die Kategorie Geschlecht unter ‚posthumanistischen‘ Bedingungen neu verhandelt wird. Gegenstand der Untersuchung sind dabei
- der gendertheoretische Diskurs selbst: So sollen die (vermeintlich) konkurrierendenTheoriemodelle des Dekonstruktivismus bzw. der Postcolonial Studies auf der einen und die Zugänge des New Materialism auf der anderen Seite einer Revision unterzogen werden und ein analytisches Instrumentarium entwickelt werden, das geeignet ist, ‚Geschlecht‘ im Zusammenspiel von sinnhaft-symbolischen Prozessen und materiellen Ordnungen zu erfassen;
- jene Repräsentationen von Geschlecht, die unter Bedingungen des Posthumanismus in literarisch-künstlerischen und (alltags-)kulturellen Hervorbringungen entstehen. Dabei wird gerade Kunst als eine Erkenntnisform begriffen, die wissenschaftliche oder alltägliche Erkenntnis überbietet.
Interview mit Frau Assoz.-Prof.in Dr.in Kernmayer:
Wie verändert eine stark technologisierte Umwelt den Blick auf den Körper? Warum werden Machtverhältnisse (immer noch) über das Geschlecht transportiert? In diesem Video gibt Dr.in Hildegard Kernmayer Antworten auf diese Fragen und erzählt vom Forschungsprojekt "Gender revisited. Verhandlungen von Geschlecht im Zeitalter des Posthumanismus".
Ein Transkript des Videos steht hier zum Download bereit.